Room 104 (Serie): Ein Raum, 48 einzigartige Geschichten (Review)

Das Konzept ist einfach, ein Motel-Room, jede Folge eine Geschichte, welche sich in bis zu 30 Minuten in diesem abspielt. Klingt langweilig? Was soll da groß passieren? Ich kann nur sagen, eine Menge, was einen über Grenzen hinaus denken lässt.

Die HBO-Serie von den Duplass Brüdern (Mark & Jay Duplass) bringt Wind in die Serien Landschaft, mit einem Konzept, was zwar einfach klingt, aber so viel Kreativität mit sich bringt und von den Brüdern so umgesetzt wird, dass für mich diese Serie keine Serie mehr ist, sondern Kunst.

Doch was macht sie so einzigartig? Wir befinden uns jede Folge im Room 104, ein einfach Motel-Room mit meistens zwei Betten, einem Tisch am Fenster, Kommode mit Fernseher, einem Wandschrank und einer Spiegelfront mit Waschbecken und einem separaten kleinen Badezimmer. Jede Folge wird uns dann die Geschichte von anderen Gästen erzählt, welche zu irgendeinem Zeitpunkt sich in diesem Hotelzimmer befinden. Man könnte meinen das Szenenbild, könnte langweilig werden, was aber definitiv nicht der Fall ist. Da sich dieses je nach Folge immer etwas zeitlich oder komplett anders anpasst. 

Wir tauchen in jeder Folge, in eine komplett andere Geschichte ein und was die Serie so einzigartig macht ist, dass diese Geschichten sich durch alle Genres und Filmarten zieht. So haben wir von leichter 80iger Sitcom-Unterhaltung bis zu FSK 18-Horror mit übernatürlichen Begegnungen zu tun. Das spannende ist, man weiß jede Folge nicht, was einen erwarten wird und man wird in Szenarien geschmissen, welche man erst im Laufe der 20-30 Minuten kennen und verstehen lernt. Man muss sich richtig auf die Geschichten einlassen und akzeptieren können, dass nicht alles erklärt wird und Interpretationsfreiraum lässt. Eine Message vermittel aber jede Folge definitiv, was einen gesellschaftliche, soziale oder wissenschaftliche Sachen auf oberflächlicher oder Teilgründe Weise hinterfragen lässt. Zudem hat man oft auch einen Plottwist oder versteht erst später um was es überhaupt geht was den Serienschöpfern so viel Freiheit gibt, den Zuschauer in verschiedene Richtungen zu lenken und ihn dann selbst erkennen lassen, dass man manche Sachen vielleicht doch anders hinterfragen könnte, wie man es intuitiv wahrgenommen hat.

Hier werden auf allen Ebenen Stilmittel verwendet, sei es von Licht, über die Darstellung des Room 104, welcher auch mal abstrakt, als abgestecktes Baugrundstück, vorkommt, bis hin zu den Charakteren und deren Erzählweise. Es ist faszinierend wie sie in einem Raum so viele unterschiedliche Geschichten auf so viele unterschiedliche Weißen erzählen können, obwohl sie eigentlich auf den ersten Blick so eingeschränkt sind und das ganze dann noch in unter 30 Minuten mit teilweise so einem Tiefgang, das ist einfach phänomenal. 

Dadurch das keine Folgen zusammenhängen, haben wir jede Folge auch einen anderen Cast, wo wir auch sehr viele bekannte Schauspieler in den Episoden sehen können, wie bspw. James Van Der Beek, Natalie Morales, Clark Duke oder auch Sarah Hay. Das bringt immer frischen Wind in jede Folge und ist natürlich auch für den immerwährenden Stimmungswechsel passend.

Wer eine groß aufgebaute Serie mit komplexerer Storyline sehen will, ist hier fehl am Platz. Wer sich aber einfach mal auf etwas Neues einlassen möchte und gerne etwas abstrakter denkt, ist hier genau richtig. Hier muss man aber natürlich sagen, dass einen manche Folgen mehr und andere weniger gut gefallen, da man ja auch unterschiedliche Themen und Stile mag. Manche Folgen sind auch so abstrakt oder verstörend, dass sie schwer zu begreifen sind. Ich muss aber sagen, ich habe hier sogar einige Folgen gut gefunden, wo mir das Genre und die Thematik an sich nicht gut gefallen, aber in der Serie packend umgesetzt wurden und auch einfach meinen Horizont erweitert haben. Man merkt wie viel kreativer Input in der kompletten Serie steckt und wie man einmal durch das komplette Universum, was in Serien möglich ist, gezogen wird, was mega inspirieren kann. Zudem ist die Serie praktisch um zwischen durchgeschaut zu werden, da man die Folgen alle einfach einzeln in 20-30 Minuten und durcheinander schauen kann. 

Wer sich nun in dieses neue Abenteuer stürzen möchte, kann sich inzwischen alle 48 Folgen aus 4 Staffeln (Serie ist inzwischen abgeschlossen) mit deutscher Synchronisation oder im O-Ton bei SkyTicket im Streamingangebot anschauen oder bei den gängigen VoD-Anbietern kaufen. Diese Serie ist meiner Meinung nach ein echter Geheimtipp, der jedem, glaube ich, gefallen wird, der tiefgründigere Serien, die Outside the Box denken, mag. Ich möchte diesen Artikel mit den übersetzten Worten des Serienschöpfers Mark Duplass beenden, welche die Passion dieser Serie auf den Punkt bringt, in einem Interview mit dem englischsprachigen Magazin Deadline:

„Ein bisschen bittersüß. Dies war eine Art lustiges kleines Nebenprojekt, das wir vor ein paar Jahren gestartet haben und das seltsamerweise emotional zu einem Kernstück meiner Arbeit wurde.“

– Mark Duplass
(Quelle: https://deadline.com/2020/07/room-104-mark-duplass-interview-bittersweet-ending-1202994349)